03.05.2016

Peter Schmachthagen

Sie wartete vergeblich an der Litfaßsäule

Das Rendezvous fiel aus, weil es an der präzisen Zeitangabe mangelte. Bei einer Terminabsprache kommt es auch auf die Rechtschreibung an.

Zeitangaben müssen präzise sein. Gibt es dabei Missverständnisse, treffen diejenigen nicht zusammen, die zusammentreffen sollen oder wollen. Manche späte Verbindung ist schon daran gescheitert, dass die ohnehin bereits leicht verblühte Ausgewählte aus dem Internet beim ersten Rendezvous um viertel fünf (16.15 Uhr) an der Litfaßsäule gewartet hat und der ebenfalls nicht mehr taufrische Chatpartner erst um Viertel nach fünf (17.15 Uhr) angeschlichen kam.

Allerdings müssen wir gar nicht auf die Minuten schauen, schon die Angabe der Tage ist von Missdeutungen bedroht. Das gilt sowohl chronologisch, für die Fixierung eines Zeitpunkts auf dem Kalender und der Uhr, als auch orthografisch, um diese Angabe in korrekter Rechtschreibung zu Papier zu bringen.

Dabei muss genau zwischen Groß- und Kleinschreibung unterschieden werden. Also sollten wir bei Zeitangaben als Erstes feststellen, ob wir es mit einem Substantiv oder mit einem Adverb zu tun haben. Anschließend wird es einfacher: Substantive (Hauptwörter) schreibt man groß, Adverbien und natürlich auch Temporaladverbien (Umstandswörter der Zeit) schreibt man klein.

Wenn Sie in der Praxis Ihres Zahnarztes anrufen und die Auskunft bekommen: \"Herr Doktor ist Freitag für Sie zu sprechen\", dann ist von einem bestimmten, einmaligen Freitag die Rede, wahrscheinlich von dem kommenden Freitag. Falls die Sprechstundenhilfe aber antwortet: \"Herr Doktor ist freitags zu sprechen\", dann bedeutet das, dass der Herr Doktor an jedem Freitag Sprechstunde hat, jedenfalls für Selbstzahler und Privatpatienten. Der einmalige Zeitabschnitt wird durch das Substantiv, die Wiederholung wird durch das Adverb ausgedrückt, das Sie zudem an der Endung -s erkennen.

Es ist nicht anzunehmen, dass ein Zahnarzt, und sei der Blick auf seine Kontoauszüge auch noch so alarmierend, seine Praxis 24 Stunden am Tag offen halten wird. Deshalb müssen wir dem Tag die Tageszeit hinzufügen. Wenn es nicht so genau auf die Minute ankommt, wird die Helferin am Telefon vielleicht sagen: "Kommen Sie Freitag Morgen." Oder Freitag "morgen"? Nein, seit der Rechtschreibreform werden die früher als Adverbien angesehenen Bezeichnungen für die Tageszeiten in Verbindung mit einem Wochentag jetzt den Substantiven zugeordnet und großgeschrieben: Wir feiern Dienstag Abend. Das Flugzeug landet Mittwoch Mittag.

Das heißt natürlich nicht, dass die Temporaladverbien abgeschafft worden sind. Wenn sie auf keine Tageszeit, sondern auf einen Tag hinweisen, leben sie fort, etwa als gestern, heute, morgen, vorgestern, übermorgen usw. Tritt eine Tageszeit hinzu, ergibt sich eine Klein-Groß-Leiter: heute Mittag, gestern Abend, morgen Nachmittag, vorgestern Nacht. Das sieht für ältere Leser etwas ungewohnt aus, sollte aber als Beweis eines gewissen Rechtschreibniveaus beachtet werden.

Leider ist die Regel damit nicht zu Ende. Es wird noch komplizierter. Die Getrenntschreibung bei Wochentag und Tageszeit ist nur korrekt, wenn die Verbindung allein, also ohne vorhergehendes Begleitwort, steht: Wir feiern Elisas Geburtstag Sonntag Nachmittag. Falls jedoch ein Artikel, ein Pronomen, ein Adjektiv oder eine Präposition vorausgeht, wird die Verbindung zusammengeschrieben: Wir feiern den Geburtstag am Sonntagnachmittag. Eines schönen Montagmorgens war sie verschwunden. Noch bis Sonnabendmittag bleibt die Straße gesperrt.

Die Aussage, am Dienstagabend haben wir im Fernsehen zum letzten Mal Hendrikje Fitz gesehen, weist auf einen bestimmten Tag und eine bestimmte Folge der Serie \"In aller Freundschaft\" hin. Wollen wir jedoch ausdrücken, dass wir keine Folge aus der Leipziger Sachsenklinik zu verpassen pflegen, müssen wir vom Substantiv wieder zum kleingeschriebenen Adverb wechseln. In diesem Fall können wir das Tageszeitadverb vom Substantiv ableiten (dienstagabends von Dienstagabend) oder zwei selbstständige Adverbien bilden, die getrennt geschrieben werden: dienstags abends. Beide Schreibweisen bedeuten \"an jedem wiederkehrenden Dienstag zur Abendzeit\".

E-Mail: deutschstunde@t-online.de


Quelle: Hamburger Abendblatt
Link: http://www.abendblatt.de/meinung/article207522747/Sie-wartete-vergeblich-an-der-Litfasssaeule.html

Die Quelldatei zu diesem Ausdruck finden Sie unter
http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=206